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bis November 2018 war unbestritten die abenteuerlichste Zeit meines Lebens.
6 Monate, die mich nachhaltig geprägt und auch mein berufliches Leben in eine völlig neue Richtung gelenkt haben.

In einem wunderschönen Ayurveda Hotel

war ich primär für die Gästebetreuung zuständig. Hatte aber auch dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Arbeitsbereiche der 16-köpfigen Belegschaft zeit- und ordnungsgemäß erledigt wurden. Einerseits die Aufsicht über die Mitarbeiter zu haben, sie aber auch gleichzeitig als Kollegin und Vertrauensperson zu unterstützen, war schon eine Herausforderung. Nicht nur wegen der sprachlichen Barriere, sondern primär wegen dem größtenteils völlig konträren Verständnis von ein und derselben Sache.

So zB ist meiner Meinung nach „bitte sofort“ eine klare Aussage

Die Singhalesen aber sehen in „Dinge gleich erledigen“ keine Notwendigkeit. Ganz nach dem Motto „slowly, slowly“ können die Fliesenböden auch noch in zwei Stunden gereinigt werden. Sie laufen ja schließlich nicht davon. So etwas wie einen Zeitplan, eine klare Struktur, einen geregelten Ablauf kennen die Singhalesen grundsätzlich nicht. Ich persönlich mag auch keine Routine, doch in manchen Bereichen kann sie durchaus sinnvoll sein, um zB unliebsame Arbeiten möglichst rasch hinter sich zu bringen.

So beginnt der Tag zB für das house keeping Team damit,

den Einfahrtsbereich zu säubern, die Zufahrt zu kehren. Sollte beginnen…. 😉
Wirklich faszinierend zu beobachten, mit welch blühender Phantasie meine singhalesischen Kollegen es immer wieder schaffen, sich von der zügigen Erledigung ihrer Arbeit abhalten zu lassen. Mal ist es ein abgebrochener Besenstil, der kunstvoll (und dennoch wirkungslos) repariert wird. Statt einen anderen Besen zu nehmen. Dann wieder muss ein Schmetterling gerettet werden, der in der Blumenschale gelandet ist und sich jetzt nicht mehr selbst befreien kann.

Im Sinne der buddhistischen Anschauung,

dass alle Lebewesen gleichwertig sind, ist dies ja eine sehr löbliche Tat. Doch würden zwei Menschenhände hierfür genügen. Aber nicht noch weitere mindestens drei Augenpaare die zusehen und alles überwachen. Eine ebensolche sechsköpfige „Betriebsversammlung“, wenn ein junger Vogel in den Regenwasserbrunnen gefallen ist und nicht mehr allein davonfliegen kann. Wie oft und ungeniert haben wir gelacht, ist zB ein Stoß frisch gewaschener Handtücher umgekippt und einige sind zu Boden gefallen. Durchgerissene vollgefüllte Müllsäcke, die auf der Transportstrecke mehr fallen lassen als in sich behalten. Wachstropfen am Tischtuch… all diese Hoppalas sind auf Sri Lanka echt kein Drama.

Mit einem zaghaften „Sorry Madam“

gefolgt von einem verstohlenen, unschuldigen Blick des Kollegen in meine Richtung wird in der Sekunde der Wind aus der Situation genommen und alles ist gut. So gelang es mir binnen kürzester Zeit, das Vertrauen, die Akzeptanz und den Respekt meiner Kollegen zu gewinnen.

Auf Sri Lanka wird gearbeitet, aber eben im „singhalesischen style“. „Nur keine Eile, morgen ist auch noch ein Tag“.

Während meines Aufenthaltes wird am Grundstück ein neues Haus gebaut

Ebenerdig ein 80m2 großer suitroom, im ersten Stock eine ebensolche Wohnung mit jeweils traumhaften Ausblick auf den Bentota Fluss.

Nicht nur, dass immer noch altertümliche Werkzeuge und Gerätschaften verwendet werden, lassen es sich die Bauarbeiter nicht nehmen, pünktlich um 10h und 14h „a little tea break“ einzulegen. Diese mit einer Präzision, die sie sonst nicht mal annähernd an den Tag legen. Die bunten Plastikbecher sind persönlich zugeteilt, da gibt es keine Diskussion. Weniger streng nimmt man es mit der Länge der Pause…. man ist ja schließlich flexibel…. 😉.

Es gäbe so viele verschiedene Details und Aspekte zu schildern, die einen Eindruck davon vermitteln, wie abwechslungsreich meine Arbeit (und nicht nur diese) ist. Mal müssen alle Sessel des Hotel-Mobiliars neu gestrichen werden. Dann wieder gilt es, Kröten einzufangen, die sich nur allzu gern abends zu uns gesellen. Eine richtig nette Familie, die nervöse (um nicht zu schreiben „hysterische“) Gäste erschrecken…

Ein besonders liebenswertes Kerlchen ist „Brownie“,

seines Zeichens ein vor dem sicheren Tod geretteter Strassenhund, der nach wenigen Wochen Hundeleben in die Hotelfamilie aufgenommen wurde. Nicht nur, dass er mich jedes mal begleitet, wenn ich zum Laufen, Radfahren…. das Gelände verlasse (und als Beschützer nicht mehr von meiner Seite weicht), fährt Brownie auch liebend gerne mit dem TukTuk. Und er kann es gar nicht leiden, wenn er sozusagen „wieder ausgeladen“ wird.

In der Küche wird immer mit tages-frischen Zutaten gekocht

Wahre Berge von verschiedenem Gemüse, das für die Mittagssuppe kleinst gewürfelt wird. In Spitzenzeiten wird für bis knapp 20 Personen gekocht – da kommt natürlich entsprechend viel Dampf aus den Töpfen! Und dennoch hat der Koch zwischendurch immer Zeit und Muße, mir die eine oder andere unbekannte Frucht und Gemüsesorte zu erklären; und derer gibt es viele.

Besonderen Spaß macht es mir auch,

gemeinsam mit meinen Kollegen die Abend-Tische zu dekorieren. Und daran beteiligen sich meist auch manch Freiwillige. Solch ein besonders aufwendiger Tisch-Schmuck wird immer zur Verabschiedung unserer Gäste am Tag vor ihrer Abreise gezaubert.

Früchte, Gemüse, Palmblätter, Bambusstämme, Farne, die herrlichsten Blüten und natürlich jede Menge Kerzen machen es möglich, dass unsere Gäste – zusätzlich zum singhalesichen flair, dass uns die Landschaft schenkt – für ein paar Stunden in ein einzigartiges fantasy-feeling getaucht werden.

Hierzu passend erwähnen möchte ich auch die Hingabe und Kreativität,

mit der die room-boys Tag für Tag die Zimmer säubern und danach das frisch gemachte Bett aufwendig und liebevoll dekorieren. Möglicherweise legen die Burschen auf mein Zimmer ein besonderes (freundschaftliches) Augenmerk…. 😉

Natürlich muss auch das Hotel-eigene TukTuk

hin und wieder serviciert und gereinigt werden. Auf Sri Lanka genügen hierfür Ziegelsteine und ein Kübel mit Wasser 😊.

Eines Spätnachmittags suche ich nach den schönsten Farnblättern,

um jedes Gedeck zum Abendessen mit Herzlichkeit zusätzlich aufzuhübschen. Plötzlich schreckt mich ein Geräusch ähnlich einer Kettensäge. Shehan mäht den Rasen, wie sich herausstellt. Ohne jede Vorwarnung. Und dies in einer Schutz-Montur, als würde er sich gegen eine Insekten-Invasion verteidigen müssen.

Selbst knapp außerhalb des Hotels, nur nach wenigen Schritten werde ich überrascht

Versunken in meine Gedanken und ausnahmsweise mal ohne besondere Aufmerksamkeit für die Umgebung
bleibe ich plötzlich intuitiv stehen und entdecke direkt vor mir in Augenhöhe ein Chamäleon. Ehrlich gesagt hält sich meine Begeisterung für Tiere in Grenzen. Doch solch ein lebendiges Farbwunder ist selbst für mich beeindruckend. Ich hoffe für mich, dass es schön brav am Lichtmast haften bleibt und sich keineswegs irgendwie in meine Richtung bewegt.

Eine unendliche Vielfalt auf Sri Lanka, die meinen Erfahrungs-Schatz größer, noch reicher und immer lebendiger werden lässt. In Dankbarkeit und Demut.