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„Sissy, Du kannst Dir gerne eines nehmen.
Such` Dir einfach eines aus.“

Rede ist von einem Fahrrad, das mir die Besitzerin des Resorts anbietet, in dem ich die nächsten Monate verbringen werde.

Das Resort liegt ziemlich abseits, auf einer kleinen Anhöhe.
Belohnt wird diese Abgeschiedenheit mit einem unvergleichlichen Ausblick auf den Bentota-Fluss.

Allein dieser Fluss ist schon ein Abenteuer für sich

Mehrere Boots-Touren (bis tief in die Mangroven hinein) habe ich auf diesem Gewässer genossen. Darin schwimmende Krokodile und tote Wasserbüffel konnte ich per Fernglas beobachten.
Einzigartig auch mitzuerleben, wie Blitze aus dem Himmel zischen, knapp vor der Wasseroberfläche für eine 90 Grad-Wendung Halt machen, sich parallel zum Wasser bewegen und schließlich darin verschwinden.

Mein Fahrrad schenkt mir neue Freiheit

Mein Bewegungsradius erweitert sich enorm und ermöglicht mir auch ein gewisses Maß an Unabhängigkeit –
kann ich doch ab sofort manche Orte auch ohne Tuk Tuk (und ohne dazugehörigen neugierigen Fahrer) erreichen.

Einmal kurz um Hilfe gebeten –

und schon sind einige Herren darum bemüht, mein Rad aus dem Ruhestand zu holen und fahrtauglich zu machen.

Die Vorfreude auf meine neue Mobilität ist riesengroß –
bis mir plötzlich ein gedankliches Schreckgespenst durch meinen Kopf jagt:
Linksverkehr !

Manche mögen lapidar meinen: „Kein Problem- einfach links statt rechts“,
doch für mich (und meine Gehirnwindungen) ist das wirklich eine challenge.

Allein der Gedanke daran bereitet mir Unbehagen

Aber nachdem der Nutzen für mich meine Angst bei weitem übertrifft,
stelle ich mich sofort der Herausforderung und beschließe, meine erste Ausfahrt mit meinem Zweirad ins sog. „battle field“ zu wagen.
Darunter versteht man auf Sri Lanka allgemein eine wenig befahrene, schmälere Straße, links und rechts umgeben von Wiesen und Sumpf-ähnlichem Gebiet.

Meine Überlegung …

Wenn ich nur wenigen Autos, Tuk Tuks und Fahrrädern begegne,
brauche ich mich vorerst nur darauf zu konzentrieren, immer schön brav links zu radeln. Ok, das traue ich mir zu!

Du meine Güte!

Wie anders die Welt doch gleich aussieht und sich anfühlt, wenn ich auf der linken statt der gewohnten rechten Seite in die Pedale trete….
Nach wenigen km kann ich mich mit der neuen Wahrnehmung anfreunden und ich beginne es zu genießen.
Nachdem mein 3-Gang-Rad doch einen erheblichen Anti-Komfort im Vergleich zu meinem heimischen Carbon-Rennrad bietet, lasse ich`s fürs Erste gut sein.

Der Anfang ist gemacht – ich hab`s überlebt

Die besten Voraussetzungen, um gleich tags darauf eine weitere Portion Mut einzuatmen und auf die nächst gelegene Hauptstraße zu fahren.
Um dorthin zu gelangen, muss ich zunächst links abbiegen.
Ok, das geht. Aber die nächste Abbiegung nach rechts bedeutet für mich, dennoch in der linken Spur bleiben zu müssen. Eben andersrum als gewohnt.

Auch dieses „Hindernis“ ist geschafft

Und siehe da: nach wenigen Minuten befinde ich mich tatsächlich auf der main-street, die in den Ort Aluthgama hinein führt.

Jetzt bin ich aber auf den Geschmack gekommen:
Links oder rechts, oben oder unten. Jede Richtung ist mir vertraut, als wäre mir der Linksverkehr in die Wiege gelegt worden.
Ich fühle mich wie die Königin der Straße und trete voller Begeisterung in die Pedale.
Natürlich ist es für meine Beinmuskulatur spürbar, dass ich insgesamt gesehen auf dem nicht gerade neuesten Rad-Modell sitze und dieses bewege, aber was soll`s?
Ich kann jederzeit fahren, wohin ich möchte.

Plötzlich erreiche ich Aluthgama

Wow – das ging aber schnell.
Und prompt werde ich wie von selbst vom immer stärker werdenden Verkehr entschleunigt.
Im Nu bin ich von zahllosen Mopeds und Tuk Tuks umgeben.
Wer sich schon mal auf asiatischen Straßen aufgehalten hat, der kennt die besondere Art, wie in diesen Ländern gefahren wird.

Der Hauptbestandteil jedes Fahrzeuges ist die Hupe

Und diese wird permanent betätigt – um Allem und Jedem zu signalisieren
„hey mein Freund, ich habe Dich gesehen“.
So entsteht ein buntes, lautes und sehr enges Treiben.
Jeder cm2 Straße wird in Beschlag genommen.

Grundsätzlich bin ich mit der Situation auf Sri Lanka`s Straßen vertraut.
Dennoch wird mir etwas mulmig zumute, als ich plötzlich an meinem rechten Fuß den Radgummi des an mir vorbeifahrenden Tuk Tuk`s zu spüren bekomme.
So nahe muss es nun doch nicht sein.
Und Platz zum Ausweichen ist auch nicht vorhanden.

Was soll`s ! Dies ist einer der unvergesslichen Momente, die mir in Erinnerung bleiben.
Die mir immer ein Schmunzeln entlocken und für die ich dankbar bin, sie erlebt zu haben.