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ist ein so nettes Beisammensein. Mit anderen Gästen des Resorts findet sich zu den Mahlzeiten stets eine sehr fröhliche Runde zusammen.

Wir lachen, unterhalten uns über Dies & Das und erzählen von unseren jüngsten Tageserlebnissen. Margit, eine sehr liebe Bekannte aus Deutschland, sitzt neben mir. Mit ihr verbindet mich vorallem unsere tiefe Liebe zu Sri Lanka. Plötzlich beginnt sie, von ihren Zugfahrten hierhin und dahin zu erzählen.

Zugfahren!

Wie gerne würde ich auch dieses Abenteuer erleben… wäre da nicht mein so gut wie nicht vorhandener Orientierungs-Sinn. Dreht man mich bloß einmal um einen fremden Grashalm, finde ich nicht mal mehr meine eigene Nasenspitze.

Doch Margit ist so voller Euphorie und schildert mit leuchtenden Augen von den ganz besonderen Momenten, in denen sie – mit ihren Füßen am Trittbrett – am Boden des türlosen Zuges saß und sich den Fahrtwind durch ihre blonden Haare wehen ließ.

Das will ich auch unbedingt erleben!

Schon so oft sind an Bahnübergängen Züge an mir vorüber gefahren. Wie reife Trauben, die man nur noch mit einem Handgriff zu pflücken braucht, hängen die Menschen oftmals an den Wagons, die tatsächlich unverschlossen sind.

Es entspricht voll und ganz dem Pragmatismus der Singhalesen – „Ist innen kein Platz mehr, so schafft man diesen wenn nötig im Außen.“ Nichts für schwache Nerven, denn ist man diesen Anblick nicht gewohnt, könnte man möglicherweise sofort ein Unheil in dieser landes-typischen Form des Fahrgast-Transports befürchten.

In meiner Heimat Österreich würden Bürokratie und Sicherheitsbestimmungen die symbolischen Hände über den Kopf zusammenschlagen. Auf Sri Lanka gehört dies zum „daily life“.

Ich übe mich schon seit geraumer Zeit darin, mir Unangenehmes möglichst rasch in Angriff zu nehmen. So bleibt mir kaum Zeit, mir alle möglichen Wenn & Aber auszumalen.

Ich organisiere mir noch am selben Abend eine Taxi-Fahrt nach Aluthgama.

Farezh wird mich am nächsten Morgen zum ortsansässigen Bahnhof bringen. Farezh verabschiedet sich grinsend von mir und wünscht mir „a nice day“. Wenn er wüsste, wie aufgeregt ich bin! Durchaus auch freudig, denn schließlich steige ich in Kürze erstmals auf Sri Lanka in einen Zug. Und noch dazu unbegleitet.

Zum Glück weiß ich von Margit die Abfahrtszeiten der Züge nach Galle. Dieses entzückende Städtchen im Süden der Insel habe ich mir als erstes Reiseziel ausgesucht. Das Ticket um ca. 50 Cent (für eine etwa zweistündige Fahrt) ist schnell gekauft. Mein Selbstvertrauen wächst. „War ja gar nicht so schwer!“

Gerne darf man sich singhalesische Bahnhöfe so vorstellen:

man kann an den Anzeigetafeln gerade mal die Haupt-Haltestellen (in unserer Schrift) lesen; ansonsten findet man nur singhalesische Schriftzeichen – was auch immer mir diese mitteilen möchten. An den Wänden der Bahnhofs“halle“ befinden sich uralte riesige Holztafeln, in denen die Buchstaben-Platten einzeln eingeschoben und die Zeiger der Uhren ebenfalls händisch eingerichtet werden. Keine Garantie für Richtigkeit.

Weiters würde ein Singhalese niemals zugeben, dass er mich nicht verstanden hat. Ein „Yes, yes.“ Ist einzig eine Antwort der Höflichkeit bzw. um das eigene Gesicht zu wahren. Jedoch bei weitem keine Bestätigung, dass meine Worte ebenso bei ihm angekommen sind, wie ich sie bedeutungsvoll ausgesendet habe.

Was ich zu dem Zeitpunkt zum Glück noch nicht weiß,

dass es auf den meisten Bahnsteigen (in ländlichen Gegenden) keine Schilder mit der jeweiligen Ortsbezeichnung gibt. Ich kenne Hikkaduwa. Ich weiß, dass danach Beruwela kommt. Doch ich habe keine Ahnung, wie viele (und welche) Haltestellen es auf der Zugstrecke dazwischen gibt. Klarerweise sind mir auch die diversen Haltestellen/ Bahnhöfe per se unbekannt.

Einen Fahrgast zu fragen, birgt erneut das bereits geschilderte Risiko („Yes, yes“) in sich. Also auch keine gute Wahl zur Entscheidungsfindung, wann es für mich Zeit ist auszusteigen. Ich beschließe, all meine Bedenken aus dem Zugfenster zu werfen und statt dessen die Fahrt zu genießen. Irgendwo werde ich schon ankommen.

Die Strecke führt größtenteils mitten durch die Natur.

Diese wirkt mit ihren riesigen Palmen und Bananenbäumen auf mich, als wären die durchreisenden Fahrgäste die einzigen Menschen, die diese Ursprünglichkeit bisher gesehen haben.

Im Zug selbst herrscht reges Treiben. Der ohnehin nicht vorhandene Platzkomfort wird zusätzlich noch von durchgehenden Männern und Frauen minimiert, die Erfrischungen und Snacks anbieten.

Mütter reisen mit ihren (zahlreichen) Kindern. Männer führen riesige Taschen mit Gemüse bei sich. Manche unterhalten sich lautstark, so als müssten in dieser Minute noch alle unausgesprochenen Worte in die Welt hinaus. Andere nutzen die Zeit für ein Nickerchen, während dem sich der eine oder andere schnarchende Ton aus den Mündern verirrt. Jugendliche sind mit ihren handys beschäftigt, aus denen gerne auch ohne Kopfhörer bewegte Musik ertönt. Geräuschkulisse pur.

Freilich – in vielen Ländern ist eine Bahnreise wahrscheinlich komfortabler. Doch auf Sri Lanka mit dem Zug zu fahren, ist (in jeder Hinsicht) ein unvergessliches Erlebnis, das als „must have“ in jedem Reiseführer stehen sollte.

Diese Erfahrung ist für mich definitiv gleichzusetzen mit „der Weg ist das Ziel“.